Vor gut vier Jahren hatte sich bei mir die Gewissheit manifestiert, dass ich mich politisch aktiv einbringen muss. Das Leiden an den Nachrichten, an Entwicklungen und Entscheidungen, an Mitmenschen und Diktatoren, an den Trumps, Bolsonaros und Brexiteers, war zu schwer geworden. Bliebe ich weiter entsetzt am Spielfeldrand stehen, würde ich in Verzweiflung und Zukunftsangst untergehen: Das war meine Erkenntnis damals, 2019, so lange bevor es noch schlimmer werden sollte in der Welt.
Also hieß es nun eine Team suchen, eine Bande bilden und raus auf den Platz – mit Pflichten und Aufgaben, die Halt und die Hoffnung auf Selbstwirksamkeit bieten. Denn vor allem letztere soll nachgewiesenermaßen gegen Depression und Verzweiflung helfen: das Gefühl, gemeinsam mit Gleichgesinnten aktiv einen klitzekleinen Unterschied machen zu können. Und ja: Schon der Entschluss zum Engagement half mir tatsächlich!
Mit wem will ich aktiv sein – und für wen?
Nun hatte ich ja schon die erste Aufgabe: meine Mannschaft zu finden. Zur Auswahl stand viel. Pulse of Europe etwa, die zivilgesellschaftliche Bewegung, die sich für Europa und ein europäisches Gemeinschaftsgefühl engagiert und die ich seit 2016 verfolgte. Oder Parents4fFuture, Extinction Rebellion, das Fahrrad-Aktionsbündnis KidicalMass oder die Straßenbäume-Gieß-Gruppe hier aus dem Veedel. Alles wirklich tolle Initiativen. Trotzdem waren fast alle auch schnell wieder raus – zu spezifisch die Anliegen, zu klein die Themen.
Richtige Politik sollte es sein – in der Hoffnung dort einen größeren Hebel für Veränderungen zu finden. Also kam auch keine der Mehr-Personen-Fraktiönchen im Stadtrat in Frage, die sehr tolle Ziele, aber oft auch schon viele Namen und Parteiaustritte in ihrer kurzen Geschichte vorweisen können. Die junge paneuropäische Partei Volt überzeugte zwar mit ihrem länderübergreifenden Ansatz, nicht aber mit den teils wirtschaftsliberalen Parteiinhalten. Also lieber eine der alten Partei, mit stabilen Strukturen, die Orientierung, Erfahrung und Halt bieten.
Damit wurde die Auswahl schnell klein. In Frage kamen nur noch die Grünen und die SPD: die einst wilden, heute gesettelten Akademiker mit Weitblick und Klimafokus oder die etwas biederen Sozis mit Gewerkschaftsgeschmack und Widerstandsgeschichte. Und damit war es auch schnell entschieden, denn die klare Haltung gegen die Nazis und das Ziel der sozialen Gerechtigkeit liegen mir noch mehr am Herzen als Umwelt- und Klimaschutz. Denn tief verankert in meinem Herzen ist diese eine Gewissheit: Wir können nur dann gut leben können in einer Gesellschaft und einer Welt, wenn alle gut leben können in dieser Gesellschaft und dieser Welt. Es gibt kein Paradies für ein paar glückliche Wenige, das sich auf Dauer verteidigen lässt gegen diejenigen, die weniger Glück hatten im Leben.
Und so wurde ich Genossin.