Einmal im Jahr feiert die Kölner Volkshochschule (VHS) gemeinsam mit engagierten Trainerinnen und Trainern ein kleines GfK-Fest: den Tag der Gewaltfreien Kommunikation (GfK). Dann können frisch Interessierte und längjährige Fans die große Bandbreite der Kommunikationsmethode in drei Workshoprunden erkunden. Zur Auswahl stehen 21 Sessions, in denen es u.a. darum geht, wie man sich selbst und andere besser versteht, wie man Gewohnheiten ändert oder die eigenen Grenzen schützt und auch wie man besser mit den eigenen Kindern oder sehr wütenden Menschen kommuniziert. Und natürlich immer darum, wie die weise Giraffe wilden Wölfe (wir kennen beide vom Tanzparkett) begegnen würde – also darum, wie man durchs Sprechen Verbindung schafft statt Streit.
Der Tag steht diesmal unter dem Motto „Zusammenhalt geht nur zusammen“ – das sich an das Jahresthema der VHS anlehnt. Die nämlich stellt 2024 den Zusammenhalt als Fundament für ein respekt- und vertrauensvolles Miteinander in der Gesellschaft in den Fokus: „Zusammenhalt ist Ausdruck von Solidarität, Vertrauen und Verbundenheit.“ Geht all das verloren, droht die Gesellschaft auseinanderzufallen.
Gut also, dass es die Gewaltfreie Kommunikation gibt, mit der sich echte Verbundenheit schaffen lässt, – und gut, dass sich so viele Menschen für sie interessieren! Wie in den Vorjahren ist der GfK-Tag ausgebucht und der große Saal im Rautenstrauch-Jost-Museum gut gefüllt, als die Organisatorinnen Imke Trainer und Anja Ufermann zusammen mit Thomas Boxberger von der VHS alle begrüßen und ins Thema einführen. Dabei merke ich nicht nur, wie stark meine persönliche Resonanz auf das Thema ist. Ich lerne auch ein neues Wort: Empathielücke.
Empathielücken bedrohen den Zusammenhalt
Der Begriff, den der Lernforscher John Hattie schon 2015 geprägt hat, steht für die Unfähigkeit, sich in die Lage anderer zu versetzen, um deren Bedürfnisse zu verstehen. Der neuseeländische Pädagoge sieht Empathie-Lücken in der Schule, wo sich Lehrpersonen oft nicht wirklich in die Perspektive ihrer Schüler*innen hineinversetzen können. Mit der Folge, dass sie die Bedürfnisse der Lernenden entweder gar nicht erkennen oder sie nicht für angemessen relevant halten. Eine Empathie-Lücke in der Schule verhindert deshalb eine gute Kooperation zwischen Lehrenden und Lernenden, mindert die Motivation der Schüler*innen und damit auch den Lernerfolg insgesamt.
Eine Empathielücke haben aber beispielsweise auch Mittelstandsmenschen, die sich nicht vorstellen können, wie anstrengend das Leben für eine Geringverdienerin ohne Rücklagen ist. Auch eine weiße Person, die keine Vorstellung davon hat, mit welchen rassistischen Mikro-Agressionen nicht-weiße Menschen umgehen müssen, hat eine Empathielücke. Oder ein Mann, der niemals die Angst nachfühlen kann, die andere Menschen in unübersichtlichen öffentlichen Räume haben. Und wer eine Empathie-Lücke hat, kann nur schwer Verständnis für die jeweils anderen entwickeln.
Empathielücken schließen lernen
In einer Gesellschaft, die immer diverser wird, gibt es immer mehr Empathie-Lücken, unterstreicht Moderatorin Imke Trainer. Denn auch die Lebenswelten der Mitglieder werden diverser, was es noch schwerer macht, sich in die Lage des oder der anderen einzufühlen. Ja, man kann sich zuweilen diese Lage überhaupt nicht mehr so recht vorstellen.
Umso wichtiger ist es deshalb, gewaltfrei zu kommunizieren – also zu beobachten, ohne zu urteilen, zu vergleichen oder zu fordern, die eigenen Gefühle zu verstehen und die der anderen zu erkennen, um so über die Bedürfnisse, die dahinterstecken, ins Gespräch zu kommen.
Oder um es mit den Worten von Marshall B. Rosenberg zu sagen, die Imke Trainer zitiert: „Wenn wir uns auf die Bedürfnisse fokussieren, die uns verbinden, anstatt auf die Unterschiede, die uns trennen, schaffen wir eine Grundlage für echten Zusammenhalt.“ Besser motiviert kann man Leute* wohl kaum in ihre Workshops schicken, um den Blick für Bedürfnisse zu schärfen und ein Gefühl für Gefühle zu entwickeln.
*mich zumindest.
Ich habe jedenfalls einiges gelernt: zum einen, wie man ein Drama-Dreieck erkennt und es aufbricht, und zum anderen, wie man mit feuerspeienden Drachen sprechen, also wirklich wütenden Menschen auf Augenhöhe begegnen kann.
Ja, und dann habe ich zuhause noch ein Gedicht geschrieben zum Thema – einfach, weil ich es schon immer mal machen wollte … Ein bisschen GfK ist tatsächlich auch drin 😉
Zusammenhalt
Ich.
Und Du.
Und er und sie.
Und auch Du. Und die.
Wir sehen uns.
Wir taxieren.
Wir vergleichen uns.
Wir konkurrieren.
Wir bewerten, beurteilen, sortieren.
Beneiden uns und können nicht gönnen.
Wir täuschen, tricksen, sabotieren.
Wir nehmen, was wir kriegen können.
Und sind es so leid.
Den Stress und die Gier.
Das Meins! und das Mir!
Die Angst und diese Kurzsichtigkeit.
Denn wir sind doch mehr.
Als ich und du und die und der.
Wir sind zusammen hier.
Wir sind – Wir.
1 Kommentar
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