Krav Maga: Krass!

Am Sonntag war ich vier Stunden im Dojo. Bei einem Kurs mit dem Titel „You can fight“. Mit dabei waren zwölf andere Frauen zwischen 13 und 60. Die meisten waren aus Angst oder Unsicherheit gekommen. Manche auch aus Wut. Und wahrscheinlich war es bei allen alles zusammen. Alle wollten jedenfalls kämpfen lernen, um sich selbst zu verteidigen und sich selbst zu behaupten. Und das taten wir auch. Und es tat gut!

Dazu lernten wir keine Kampfkunst, keine schönen Bewegungsabläufe, keine Regeln. Wir lernten Krav Maga. Dieses Selbstverteidigungskonzept ist kein Kampfsport – bzw. es ist, wie unsere Trainerin sagte, ein „Kampfsport für Faule“. Denn bei Krav Maga werden nicht vorgefertigte Techniken einstudiert und geübt. Es wird vielmehr der Weg freigemacht zu den körperlichen Fähigkeiten, die wir schon haben – und die wir in Extremsituationen auch intuitiv nutzen würden, wenn uns das nicht durch die (patriarchale) Gesellschaft abtrainiert worden wäre. Es geht also vor allem um Empowerment.

Ein paar Techniken lernten wir natürlich doch. Und es machte einen Heidenspaß, sie an der mit Polsterschild und Tiefschutz ausgestatteten Trainerin auszuprobieren. Vor allem aber hat sie uns ein paar wichtige Leitsätze mit auf den Weg gegeben:

  • My safety first, your feelings second! An erster Stelle steht deine Sicherheit und dein Wohlbefinden. Wenn du letzteres verteidigen musst, dann tut es, ohne dich zu sorgen, dass du vielleicht die Gefühle oder Erwartungen deines Gegenübers verletzt.
  • Trau deinem Bauch! Wenn du das Gefühl hast, dass etwas nicht gut ist, dann ist es nicht gut. Egal, wie andere darüber urteilen. Meist wollen sie dich eh nur verunsichern. Wenn sie das nicht wollen, dass kommen sie auch damit klar, dass du um Abstand bittest oder ein Gespräch beendest.
  • Entschuldige dich nicht! Wer Grenzen setzt, macht nichts falsch (s.o.)! Deshalb: nicht entschuldigen, nicht lächeln oder gar kichern. Solche Verhaltenweisen schwächen klare Ansagen ab. Schlimmstenfalls führen sie sogar dazu, dass das Gegenüber des Gegenteil dessen versteht, was gemeint war („Ach, die meint das doch gar nicht so!“). Und auch hier gilt: Alle, die keine böse Absicht haben, werden Verständnis haben, wenn eine Grenze gesetzt wird. Bei allen anderen ist es umso wichtiger, klar zu sein.
  • Gewalt ist manchmal eine Lösung. Auch wenn es traurig ist und wir anders sozialisiert sind.

Nach den vier Stunden waren wir alle erschöpft, aber – tatsächlich – empowert. Klein und schwach fühlten wir uns jedenfalls nicht mehr. Und ich zumindest fühlte mich mit meiner Wut sehr viel weniger allein. Und vor allem ging ich voller Freude und Hoffnung für die Zukunft nach Hause: Denn da war so viel Kraft im Raum und gerade die jungen Frauen haben sie ungehemmt rausgelassen. Ich hatte tatsächlich den Eindruck, dass sie weniger unter der antrainierten Gewalthemmung litten als zum Beispiel ich (oder ihre Mütter von denen zwei mit im Kurs waren). Yeah!