Als ich vor der Jugendherberge in Deutz vom Fahrrad steige, merke ich, wie dankbar ich bin, dass es mir die Friedrich-Ebert-Stiftung – und die Weiterbildungsförderung NRW – so einfach macht mit dem Lernen. Schon zum zweiten Mal nutze ich das Angebot der gemeinnützigen Organisation, um mich meinem Lernziel „Besser reden“ zu nähern. Nachdem es beim ersten Mal um Rhetorik gegangen war, steht heute „Selbstsicher und erfolgreich verhandeln“ auf dem Programm – auch diesmal in einer reinen Frauenrunde. Schließlich ist eines der Ziele der Veranstaltung, Frauen im Beruf oder Ehrenamt zu ermutigen, mehr zu wagen und auch mal mehr zu fordern, statt im Schatten mitzulaufen.
Bingo. Genau das will ich lernen.
Entsprechend gut fühle ich mich direkt bei Trainerin Birgit Ladwig-Tils aufgehoben. Sie ist vieles und v.a. sehr erfahren, u.a. als ehemalige Betriebsratsvorsitzende, und sie ist definitiv keine, die im Schatten mitläuft oder sich von einem mächtigen Gegenüber einschüchtern lässt. Und das ist wichtig, denn bei Verhandlungen geht es immer auch um Macht. Das kann man abschreckend finden, gerade als Schattenfrau wie ich eine bin. Oder man nimmt es achselzuckend hin und macht das Beste daraus, wie Birgit es tut. Schließlich gibt es viele kleine Hebel, mit denen sich die eigene Verhandlungsposition verbessern lässt, selbst wenn das Machtgefälle groß sein sollte. Und Birgit ist hier, um genau diese Hebel mit uns in den kommenden zwei Tagen zu teilen.
5 Tipps für mehr Verhandlungsmacht
Der erste und wohl stärkste Hebel heißt: gute Vorbereitung. Dazu gehört zunächst, den Faktor Zeit als Ressource zu erkennen und zu nutzen. „Denn die Zeit sitzt bei Verhandlungen immer mit am Tisch„, betont die Trainerin.
TIPP 1:
Es ist immer sinnvoll, vorab einen festen Termin zu machen. Dafür sollten wir dann mindestens 15 Minuten ansetzen, meint Birgit: „Weniger als eine Viertelstunde anzusetzen, ist nicht wertschätzend genug für das eigene Anliegen!“ So signalisiert man schon vor Verhandlungsbeginn: Das hier kann nicht sehr wichtig sein. In der Regel ist es besser, das Gegenüber um 30 bis 45 Minuten der eigenen Zeit zu bitten.
TIPP 2:
Was gar nicht geht: Sich zwischen Tür und Angel abpassen oder abfertigen zu lassen. In diesem Fall ist die beste Selbstverteidigung eine Vertagung: Ich habe jetzt keinen Kopf dafür, können wir bitte einen Termin machen – ich kann z.B. morgen Vormittag. Das hat noch einen weiteren Vorteil, wie die erfahrene Verhandlerin Birgit versichert: „Manches erledigt sich so sogar von selbst.“
Zur guten Vorbereitung gehört auch die Wahl des Verhandlungsortes – bzw. sich auf den gewählten Ort einzustimmen und das beste aus einem vorgegebenen Setting zu machen. Denn auch Verhandlungsort und Sitzordnung haben großen Einfluss auf das (Un-)Wohlsein der Beteiligten. Das macht sie zu einem Machtfaktor. Während ein neutraler Ort (ein Café etwa) gleiche Bedingungen für alle schafft, hat im anderen Fall immer jemand Heimspiel: Im eigenen Büro oder Konferenzraum entscheidet die Gastgebende in der Regel, wie warm oder hell der Raum ist, ob es Kaffee gibt und wer sich wo hinsetzt. Trotzdem ist man dem Gegenüber nicht komplett ausgeliefert. Denn auch hier gibt es subtile Hebel zur Verbesserung der eigenen Verhandlungsposition.
TIPP 3:
Kann man sich den eigenen Stuhl aussuchen, sollte man sich möglichst übers Eck zur anderen Verhandlungspartei platzieren (siehe Skizze oben). Erwarten mich zwei Stühle gegenüber voneinander an einem Tisch, lohnt es sich, zu fragen, ob man den Stuhl verrücken kann. Denn konfrontativer kann man eine Ausgangsposition kaum gestalten. Durch leichtes Stühlerücken lässt sich viel Spannung herausnehmen. Dann können die Verhandlungsparteien den Blick auch mal abwenden und die Mimik entspannen.
Unverzichtbar ist auf jeden Fall, dass die Sitzgelegenheiten aller Beteiligten möglichst gleich sind, auf jeden Fall sollten alle gleich hoch sitzen. Dann steigt man auf Augenhöhe in die Verhandlungen ein und muss keine wertvolle Kraft verschwenden, um erst einmal als ebenbürtig wahrgenommen zu werden.
TIPP 4:
Sessel eher vermeiden, denn was bequem ist, hat große Tücken, wie schon Loriot deutlich gemacht hat: Wer in einen viel zu tiefen und viel zu weichen Sessel sitzen, wie er es im Film „Pappa ante Portas“ tut, kann es nicht anders, als demütig aufzuschauen (siehe Foto).
Ein weiterer Hebel, den man selbst in der Hand hat, ist die eigene Haltung – und zwar konkret die äußere. Wie das Loriot-Beispiel deutlich macht, ist eine aufrechte Sitzhaltung sinnvoll, um aufrecht in eine Verhandlung zu gehen. Gleichzeitig geht es darum, in der Aufrichtung entspannt zu bleiben.
TIPP 5:
Bei den ersten vier bis fünf Sätzen zum Verhandlungseinstieg sollte man (auch im Sitzen) immer mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehen. Hilfreich ist es auch, sich anzulehnen. Das entspannt das Zwerchfell und macht die Stimme voller. Und es hilft insgesamt ruhiger zu bleiben.
So vorbereitet können dann hoffentlich auch Schattenfrauen leichter den Mund aufmachen und mehr fordern. Und das allein durch die Optimierung äußeren Faktoren. Noch mehr Hebel für erfolgreiche Verhandlungen liefern allerdings die inneren, die psychologisch-sozialen Faktoren: Welche Verhandlungstypen gibt es – und wie stelle ich mich auf sie ein? Wie kommuniziere ich meine Argumente besser? Wie erkenne ich manipulative Muster? Wie pariere ich Angriffe? Und wie reguliere ich meine Emotionen? Die nächsten Schritte raus aus dem Schatten erfordern deshalb – neben dem Blick auf Fakten und Forschungserkenntnisse – den Blick nach innen. Mal wieder. Denn fordern kann ich natürlich nur, wenn ich mir das überhaupt selbst erlaube. Ohne zu überlegen, ob mir überhaupt zusteht, mehr Geld zu bekommen oder mehr Verantwortung – oder weniger Aufgaben. (tbc)